Borreliose-Welle droht

Wegen Corona verschleppte Borreliose- Infektionen heilen nicht von selbst

Nach und während der Corona-Pandemie droht eine Borreliose-Welle. In fast allen der neun meldepflichtigen Bundesländer waren die Vorjahreszahlen bereits im Oktober erreicht. Zum Jahresende meldete Bayern ein Plus von 2000 Infektionen, das sind rund 50 Prozent mehr, im Vergleich zu 2019. Leider war das zu erwarten, denn vom Frühjahr bis Herbst strebten die Menschen mehr denn je ins Grüne, um den Aerosolen in der eigenen Wohnung zu entkommen. Die Parks waren voll von Menschen und nicht etwa die Bänke sondern die Wiesen, da wo im Gras Zecken auf eine Blutmahlzeit warten.

Covid-19 ist schlimm; aber diese Virus-Infektion verschlimmert die Situation anderer Erkrankungen zusätzlich. Denn die Sorge, man könnte sich in der Praxis mit Covid-19 anstecken, hält die Menschen davon ab, mit ihren Beschwerden den Arzt aufzusuchen. Nicht jede Borreliose gibt sich mit einer Wanderröte zu erkennen. Und die meisten Borreliose-Beschwerden imitieren andere Erkrankungen, für die sich vermeintlich plausible Erklärungen finden lassen. Daher ist die Dunkelziffer auch bei Borreliose-Infektionen durch Corona noch höher als in früheren Jahren.

Der Stich einer Zecke ist meist nicht zu spüren. Während sie ihren Stechapparat im Stichloch verankert, spritzt sie eine Art betäubenden Klebstoff ein. Die wenigsten Borreliosepatienten haben je eine Zecke gesehen oder gespürt. Das erschwert die Diagnose, zumal die Anfangssymptome einer Borreliose sehr uneinheitlich sein können. Das Knie schmerzt merkwürdigerweise häufig als Erstes, auch der Nacken, der Rücken. Nachtschweiß und Fieberschübe irritieren zusätzlich. Die verräterische Wanderröte, ein roter Ring oder Fleck um die Stichstelle, taucht nur bei der Hälfte aller Betroffenen auf und verblasst nach einer Weile auch ohne Behandlung. Damit ist die Infektion aber nicht ausgestanden. Im Gegenteil: Die Erreger entfernen sich aus der Haut und verteilen sich im ganzen Körper. Allerlei merkwürdige Symptome kommen und gehen; häufig sind sie dann nicht mehr einem Zeckenstich zuzuordnen. Und wenn man dann auch noch durch das Corona-Virus ausgebremst ist und den Gang zum Arzt scheut, können sich die Bakterien in allen Organen vermehren. Deshalb bezeichnet die Schulmedizin Borreliose auch als Multiorganerkrankung.

„Borreliose tötet nicht“, sagen Ärzte häufig zu jammernden Borreliose-Patienten. „Aber sie nimmt einem das Leben“, antwortet dann ein von Krankheit genervter Mensch. Verharmlosung und Stigmatisierung sind die häufigsten Klagen von Borreliose-Patienten. Seit über 35 Jahren ist die durch Zecken übertragene Borreliose in Deutschland bekannt, aber sie wird von der Ärzteschaft und den Gesundheitspolitikern sehr oft nicht ernst genommen. Nicht von ungefähr bildeten sich in den letzten Jahren über 100 Selbsthilfegruppen, die jetzt unter der Corona-Pandemie nicht mehr zusammen kommen können. Im Jahr 2019 wurden allein in Berlin 36.363 Borreliose-Behandlungen von Kassenärzten abgerechnet, obwohl nur 851 Infektionsfälle an das RKI gemeldet wurden. Die steigende Zahl der Borreliose-Meldungen zeigt zwar jetzt schon eine Tendenz zu häufigeren Infektionen. Doch ist damit zu rechnen, dass sich viele Erkrankungen erst im Laufe der nächsten Monate und Jahre als Vollbild einer Borreliose erweisen. Behandlung ist zwar in jedem Krankheitsstadium möglich; aber je früher eine antibiotische Therapie beginnt, umso größer sind die Chancen auf vollständige Genesung.

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