„Legalisierung macht ohne Entkriminalisierung keinen Sinn“

Wenzel Cerveny vom Cannabis Verband Bayern (CVB) fordert in Schreiben an Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann (FDP): „Weihnachtsamnestie für Cannabis-Verurteilte“

BERLIN/MÜNCHEN – Auf dem Weg zur Legalisierung erwartet Wenzel Cerveny vom Cannabis Verband Bayern (CVB) Zugeständnisse des Staates. In einem offenen Brief an den Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann (FDP) fordert er die Politik auf, im Jahr 2021 verurteilte Cannabis-Konsumenten in einer „Weihnachtsamnestie“ von der Strafe freizustellen und die laufenden Ermittlungsverfahren wegen geringer Mengen Cannabis einzustellen. „Eine Legalisierung von Cannabis macht ohne Entkriminalisierung keinen Sinn“, schreibt Wenzel Cerveny an den Justizminister.
In über 100.000 Fällen könnte sich der Staat gegenüber Cannabis-Konsumenten kulant für erlittenes Unrecht und Verletzung der Menschenwürde zeigen. Die Politik hat sich laut Wenzel Cerveny endlich bewegt: Die Bundesregierung will die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizensierten Geschäften einführen. Diesen Schritt begrüßt der Legalisierungsaktivist außerordentlich. Vier Millionen erwachsene Konsumenten warten nach Schätzungen darauf, Cannabis legal zu konsumieren. Zudem kann Cannabis mit entsprechender Forschungsaktivität zu einem Pfeiler der medizinischen Versorgung werden. Die Wellness-Cannabis- (z. B. CBD-Öle) und die Nutzhanf-Industrie warten nach jahrelanger Hetzjagd auf neue vielfältige Entfaltungsmöglichkeiten. Hanf bringt der Gesellschaft nach Ansicht des Cannabis Verbandes Bayern (CVB) viele ökologische und ökonomische Chancen. „Die sozial-liberal-ökologische Regierung muss diese Chancen nur entfesseln.“
Cannabis soll nach dem Willen der Ampelkoalition legal werden, doch was passiert auf dem Weg: Immer mehr Gerichte lehnen eine Befassung in diesen Strafsachen mit den Cannabis-Rechtsvorgaben ab. Nach den Amtsgerichten Bernau und Münster gibt es auch am Amtsgericht Pasewalk erhebliche Zweifel an der geltenden Rechtsprechung.

Eine Weihnachtsamnestie für verurteilte Cannabis-Kleinstfälle würde laut Cerveny weder Urteile ungültig noch die Schuld absprechen. „Wer 2021 wegen Eigenanbau, Erwerb, Besitz oder Handel von Cannabis in geringen Mengen verurteilt worden ist, dem sollte die Strafe erlassen werden“, fordert der CVB. Die entkriminalisierende Maßnahme ist noch vor einer Lizenzierung durchzuführen. Die Entscheidung, lizenzierte Fachgeschäfte mit dem Verkauf von Cannabis zu betrauen, entspricht der CVB-Forderung.

Paradoxerweise greifen bundesweit Polizei und Staatsanwälte in Last-Minute-Manier gerade zu Weihnachten durch. „Entweder aus Unwissenheit oder in vollem Bewusstsein“ werde ein Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) in Leipzig vom 24. März 2021 ignoriert. Der BGH hat in einer Neuauslegung des Betäubungsmittelrechtes bestätigt, dass Hanftee bzw. Teile der Hanfpflanze grundsätzlich an Endverbraucher zu Konsumzwecken verkauft werden dürfen, wenn eine Rauschwirkung ausgeschlossen ist. „Wir hatten gedacht, dass damit die Hexenjagd gegen kleine Ladenbesitzer erledigt ist“, sagt Cerveny.

Geisterfahrende Ermittlungsbehörden
Die neue Ampel-Bundesregierung will Cannabis legalisieren, die Hetzjagden geht indes weiter. In Chemnitz und München haben Zoll und Staatsanwaltschaft die Zeichen der Zeit noch nicht gehört. Nicht einmal der brave Verwandte Cannabidiol (CBD) des rauscherzeugenden Tetrahydrocannabinols (THC) ist vor den Ermittlern sicher. Am Tag eins der neuen Bundesregierung haben Ermittler der Kriminalpolizei Chemnitz Hanftees und Cannabidiol- (CBD-Produkte) in der Filiale von „Hanf – der etwas andere Bioladen“ in Chemnitzer Neefepark beschlagnahmt. Der Vorwurf lautet auf „Handel mit Betäubungsmitteln“.14 Tage später haben sie in Chemnitz erneut Hanftee sichegestellt. In München haben Zoll und Staatsanwaltschaft am Mittwoch (15.12.21) im XDreams Gifthouse (München/Rosenheimerstraße 42) rund 20 Produkte von CBD-Öl bis CBD-Blüten und Kristalle sichergestellt.
CVB-Verbandschef Wenzel Cerveny wirft den Ermittlungsbehörden vor, rechtswidrig Produkte ohne Rauschwirkung zu beschlagnahmen. Er beruft sich darauf, dass die CBD-Produkte aus EU-zertifiziertem Anbau stammen und den erlaubten Grenzwert des Wirkstoffs Tetrahydrocannabinol (THC) einhalten. CBD werde in seiner Einzelsubstanz von der World Health Organization (WHO) und von der Europäischen Union (EU) als unbedenklich und nicht als Suchtmittel eingeschätzt.

Über den Cannabis Verband Bayern (CVB)
Der Cannabis Verband Bayern (CVB) wurde im Frühjahr 2014 als Dachorganisation von bayernweit 14 Cannabis Social Clubs (CSC) gegründet. Der Verband hatte 2015 das bayernweite Volksbegehren „Ja zu Cannabis“ initiiert und rund 27.000 gültige Unterschriften gesammelt. Das Bayerische Verfassungsgericht hat ein Volksbegehren wegen Nichtzuständigkeit (Bundesrecht) abgelehnt. 2019 hat der Verband ein weiteres Volksbegehren mit dem Titel „Ja zum Hanf als Rohstoff“ ( www.rettet-den-Hanftee.de) gestartet. Durch das Urteil des Bundesgerichtshofes in Leipzig vom 24. März 2021 wurde bestätigt, dass Hanf Tee grundsätzlich an Endverbraucher zu Konsumzwecken verkauft werden darf, wenn eine Berauschung ausgeschlossen ist. Aus der Passage des ausschließlich gewerblichen Zwecks hatten Ermittlungsbehörden eine Betäubungsmitteleigenschaft von Hanftee oder CBD-Blüten konstruiert. Die meisten Ermittlungsbehörden ignorieren dieses Urteil und weitere EU-Urteile bis heute.

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